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„KI darf nicht zur Abkürzung für ‚Künftige Insolvenz‘ werden“

die Ergebnisse der ZEW-Studie zum KI-Einsatz in deutschen Unternehmen sind in aller Munde. Wir haben uns mit Prof. Dr. Barenkamp, Honorarprofessor für Künstliche Intelligenz und stellv. Vorsitzender der Bundesfachkommission für KI und Wertschöpfung 4.0 im Wirtschaftsrat Deutschland, zum Redaktionsgespräch getroffen, um die Ergebnisse der Studie einzuordnen – und über Risiken und Potenziale von KI für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu reden.

KI-Einsatz stagniert in deutschen Unternehmen

Prof. Barenkamp: Künstliche Intelligenz muss endlich als Notwendigkeit für die Zukunft der deutschen Wirtschaft verstanden werden

„Der stagnierende Einsatz von Künstlicher Intelligenz in deutschen Unternehmen ist ein Alarmsignal. Während andere Länder, allen voran die USA und China, massiv in die Entwicklung und Anwendung von KI investieren, droht Deutschland den Anschluss zu verlieren“, warnt Prof. Dr. Marco Barenkamp, Gründer der auf KI-Anwendungen spezialisierten Osnabrücker LMIS AG und Mitglied der Bundesfachkommission Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0 im Wirtschaftsrat Deutschland, angesichts der Ergebnisse der jüngst vorgestellten Studie „KI-Einsatz in Unternehmen in Deutschland“ des ZEW Mannheim. Um dieses Gap zu verhindern, müssten Unternehmen, Politik und Gesellschaft gleichermaßen handeln, mahnt der Wirtschaftsinformatiker im Redaktionsgespräch mit der Studiengesellschaft für Künstliche Intelligenz. Deshalb fordert er „klare Strategien, die den Einsatz von KI fördern und Unternehmen ermutigen, die Technologie in ihre Prozesse zu integrieren.“

In seiner aktuellen Analyse für das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) kam das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim zu der Erkenntnis, dass deutsche Unternehmen KI im EU-Vergleich zwar überdurchschnittlich oft nutzen, dieser Wert allerdings seit 2021 stagniert. Konkret verwendeten demnach im Jahr 2023 knapp zwölf Prozent der gewerblichen Unternehmen in Deutschland KI für ihre Geschäftstätigkeit. 2021 war es mit elf Prozent nur ein Prozentpunkt weniger, so das ZEW.

Im europäischen Vergleich stehe Deutschland damit gut da, ordnet Dr. Christian Rammer, Autor der Studie und stellvertretender Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“, die Studienergebnisse ein. Denn im EU-Durchschnitt kam im vergangenen Jahr in acht Prozent der Unternehmen KI zum Einsatz. Spitzenreiter bei der Verbreitung von KI im EU-Unternehmenssektor waren laut ZEW Dänemark, Finnland, Belgien und die Niederlande mit bis zu 15 Prozent.

Schnellere Verbreitung in Deutschland erwartet

Vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Aufmerksamkeit als der bestimmende technologische Trend, die KI widerfährt, findet es der ZEW-Experte umso überraschender, dass die Nutzung von KI seit 2021 nur um einen Prozentpunkt gestiegen ist. Aufgrund der insgesamt positiven Auswirkungen auf die Produktivität und der sehr dynamischen Entwicklung ihrer Einsatzmöglichkeiten, insbesondere in Form von generativer KI wie ChatGPT, wäre eigentlich eine deutlich schnellere Verbreitung von KI in Unternehmen zu erwarten gewesen, stellt der Verfasser der ZEW-Studie fest. Prof. Barenkamp wird da deutlicher: „Dass der Einsatz von KI in deutschen Unternehmen stagniert ist eine Entwicklung, die in vielerlei Hinsicht alarmieren muss“, betont der Insider.

„Lange Zeit galt KI als innovative Technologie, mit der Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erzielen konnten. Heute jedoch ist sie weit mehr als nur eine Chance, sondern eine Notwendigkeit“, macht der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Studiengesellschaft für Künstliche Intelligenz (KI) deutlich. Denn Unternehmen, die sich nicht aktiv mit KI auseinandersetzen und entsprechende Strategien entwickeln, laufen demnach Gefahr, im Wettbewerb den Anschluss zu verlieren.

Dabei könnte KI gerade jetzt eine zentrale Rolle spielen, etwa um den akuten Fachkräftemangel zu kompensieren und die Effizienz in den Unternehmen erheblich zu steigern, argumentiert der Wirtschaftsprofessor. In dem Zusammenhang verweist er auf den Arbeitskräftemangel, unter dem Deutschland seit Jahren leidet, und der insbesondere durch den demografischen Wandel und unzureichende Zuwanderung verschärft wird. „KI kann hier als Lösungsansatz dienen, indem sie Arbeitsabläufe automatisiert und Routineaufgaben übernimmt, die bisher von menschlichen Arbeitskräften ausgeführt wurden“, erläutert Prof. Barenkamp. Daher sollte KI nicht als Bedrohung für Arbeitsplätze wahrgenommen werden, wie er hervorhebt, sondern als Werkzeug, das vorhandene Arbeitskräfte entlastet und ihnen die Möglichkeit gibt, sich auf wertschöpfendere Tätigkeiten zu konzentrieren.

Enorme Potenziale von KI

Ein weiterer Bereich, in dem der KI-Experte enorme Potenziale für die Künstliche Intelligenz sieht, ist die Unterstützung bei der Unternehmensführung – insbesondere größerer Konzerne. „Denn etwa prädiktive KI ist in der Lage ist, komplexe Datenströme zu analysieren, Muster zu erkennen und auf dieser Grundlage Prognosen zu erstellen“, erläutert Prof. Barenkamp. Diese Vorhersagen könnten dann als Grundlage für strategische Entscheidungen dienen.

Generative KI wiederum, mit der sich Texte, Berichte und Präsentationen erstellen lassen, könne dabei helfen, Erkenntnisse und Prognosen nicht nur zu sammeln, sondern sie in verständlicher Form für das Management und andere Stakeholder aufzubereiten, fährt der Wirtschaftsinformatiker fort. Durch die Automatisierung solcher Prozesse könnten Unternehmen erheblich an Effizienz gewinnen und schnellere sowie fundiertere Entscheidungen treffen. „Dies ist besonders in einer Zeit wichtig, in der Märkte immer zügiger auf Veränderungen reagieren und Flexibilität sowie Anpassungsfähigkeit unerlässlich geworden sind“, betont Prof. Barenkamp. Deshalb setzt er sich nicht nur für klare KI-Strategien, sondern ebenso für gezielte Investitionen in digitale Kompetenzen und Infrastruktur ein.

Der Experte sieht einen Grund, warum der KI-Einsatz in Deutschland stagniert, in dem schwachen Abschneiden des Landes in digitalen Rankings. Im „Index of Readiness for Digital Lifelong Learning“ belege Deutschland lediglich den 27. Platz, hinter Ländern wie Belgien, Polen und Italien, führt der Professor an. Diese Platzierung zeige deutlich, „dass Deutschland nicht nur bei der Entwicklung und Implementierung digitaler Technologien hinterherhinkt, sondern auch bei der digitalen Bildung und der allgemeinen Bereitschaft, sich auf digitale Innovationen einzulassen.“

Zu wenig investiert

Deutschland habe aber auch in den vergangenen Jahren deutlich zu wenig in digitale Infrastruktur und Bildung investiert, hält Prof. Barenkamp den Verantwortlichen vor. Daher hätten viele Unternehmen schlichtweg nicht die notwendigen Grundlagen, um KI effektiv in ihre Arbeitsabläufe zu integrieren. Vor diesem Hintergrund ruft der KI-Experte die Unternehmen in Deutschland und ihre Manager dringend zum Handeln auf: „KI sollte nicht länger als optionales Tool für experimentierfreudige Innovatoren angesehen werden, sondern als zentrales Instrument, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern“, mahnt er.

„Unternehmen, die sich nicht aktiv mit KI auseinandersetzen und keine klaren Strategien zur Integration der Technologie entwickeln, riskieren, den Anschluss zu verlieren“, fügt er hinzu. Im schlimmsten Fall könnten so die beiden Buchstaben „KI“ bald zur Abkürzung für „Künftige Insolvenz“ werden!

Weiterführende Informationen:

Foto: Gros Fotografie

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