die zunehmende Verbreitung der Künstlichen Intelligenz (KI) geht mit einem wachsenden Energiehunger einher. Studien zufolge soll der Energiebedarf von Rechenzentren für KI-Anwendungen und anderen Digitalisierungsprojekten in Europa bis zum Jahr 2030 drastisch ansteigen. Das Beratungsunternehmen McKinsey etwa geht von einer Verdreifachung des Stromverbrauchs in diesem Zeitraum aufgrund von KI-Anwendungen auf voraussichtlich mehr als 150 Terawattstunden (TWh) aus – das sind 150 Milliarden Kilowattstunden (kWh). Auch das Öko-Institut kommt in einer aktuellen Untersuchung im Auftrag von Greenpeace Deutschland zu den Umweltauswirkungen von Künstlicher Intelligenz jetzt zu dem Ergebnis, dass das rasante Wachstum der Nutzung von KI einen erheblich steigenden Energiebedarf, zunehmende Treibhausgas-Emissionen sowie erhöhte Wasser- und Ressourcenverbräuche zur Folge haben dürfte.
Geht KI somit auf Kosten des Klima- und Umweltschutzes? Und gefährdet KI die Energiewende hierzulande?
Prognose: Stromverbrauch steigt um das Elffache
Mit dem Siegeszug der KI-Innovationen wächst auch deren Energiebedarf. Im Zuge eines zunehmenden KI-Einsatzes werden die digitalen Infrastrukturen – insbesondere KI-spezifische Rechenzentren – ausgebaut werden, stellt das Öko-Institut in seiner neuen Übersichtsstudie zu den „Umweltauswirkungen Künstlicher Intelligenz“ fest. Gemäß Prognosen wird der weltweite Stromverbrauch von KI-Rechenzentren demnach vom Basisjahr 2023 bis zum Jahr 2030 um das Elffache ansteigen: Von 50 Milliarden Kilowattstunden auf rund 550 Milliarden Kilowattstunden. Zusammen mit den übrigen Rechenzentren würden damit im Jahr 2030 rund 1.400 Milliarden Kilowattstunden Strom für die zentrale Datenverarbeitung eingesetzt, erwarten die Studienautoren.
Damit verbunden ist nach ihren Berechnungen ein Anstieg der Treibhausgas-Emissionen von Rechenzentren von 212 Millionen Tonnen im Jahr 2023 auf 355 Millionen Tonnen im Jahr 2030, trotz eines angenommenen Ausbaus von erneuerbaren Energien zur Stromproduktion. Weitere Belastungen sollen durch den Wasserbedarf für die Kühlung entstehen, der sich im gleichen Zeitraum auf 664 Milliarden Liter nahezu vervierfachen werde, berichtet das Umweltforschungsinstitut, sowie die bis zu 5 Millionen Tonnen zusätzlich anfallender Elektronikabfälle, die durch den Ausbau der Rechenzentren und KI-Kapazitäten entstehen.
Über die sogenannten „direkten“ Umweltwirkungen hinaus, also den Energiehunger und die damit verbundenen Treibhausgas-Emissionen von Rechenzentren, den Wasserverbrauch für Kühlungssysteme und den Ressourceneinsatz bei der Hardware-Produktion, hebt der Bericht auch die ökologische Bedeutung der indirekten und systemischen Effekte von KI hervor. So sei schon jetzt zu beobachten, dass KI dazu eingesetzt werde, umweltschädliche Geschäftspraktiken zu beschleunigen, erklären die Forscher. So würden KI-Tools beispielsweise dazu genutzt, neue fossile Energiequellen schneller und effektiver zu erschließen, die Intensivierung von Monokulturen zu verstärken oder den privaten Konsum weiter zu steigern. Zugleich könnten negative Umwelteffekte auch ungewollt wegen Fehlern in der Datengrundlage, falschem Training oder Betrieb von KI-Systemen entstehen, zählt das Öko-Institut weiter auf. Solche indirekten Effekte bewerten die Forscher als ebenfalls ökologisch bedeutend, jedoch bisher zu selten erfasst und diskutiert.
Return on Environment
„Künstliche Intelligenz darf nicht länger als bloßer Produktivitätsmotor missverstanden werden, der ungebremst zusätzliche Klima- und Ressourcenschäden verursacht“, mahnt auch der deutsche KI-Experte Prof. Dr. Marco Barenkamp. „Vielmehr müssen wir KI-Systeme konsequent an einem ‚Return on Environment‘ ausrichten“, fordert der Gründer der auf KI-Entwicklungen spezialisierten Osnabrücker LMIS AG, der sich an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft für die Etablierung zukunftsorientierter Rahmenbedingungen für KI in Deutschland und der Europäischen Union engagiert. Professor Barenkamp postuliert, jeder Algorithmus, jede Trainings- und Inferenzoperation sei an ökologischen Maximen zu messen. „Nur so schaffen wir eine nachhaltige Digitalwirtschaft, in der Innovation nicht auf Kosten unseres Planeten erkauft wird, sondern spürbar zur Entlastung von Klima und Ressourcen beiträgt“, erklärt der Fachmann.
Um den mit KI verbundenen Umwelt- und Klimarisiken zu begegnen, hat das Öko-Institut als Ergebnis der aktuellen Untersuchung Handlungsanforderungen an die Politik formuliert. Diese sehen folgende Maßnahmen vor:
- Die Einführung verbindlicher Transparenzanforderungen und Rechenschaftspflichten für Anbieter von Rechenzentren und KI-Diensten, darunter die Erfassung und Veröffentlichung von Kennzahlen auf der Ebene der Rechenzentren, die Einführung eines Effizienzlabels für Rechenzentren und KI-Service-spezifische Kennzahlen zu deren ökologischem Fußabdruck.
- Die Sicherstellung der Netzintegration und Anpassung an Erzeugungsmengen erneuerbarer Energien, indem Lasten zu geeigneten Zeiten mit Kapazitäten aus sauberer Energie oder mit eigenen Batteriespeichern abgedeckt werden.
- Eine Aktualisierung des Rechtsrahmens, um die Umweltauswirkungen von Künstlicher Intelligenz zu berücksichtigen. Dazu gehört auch eine Folgenabschätzung, die eine strukturierte und spezifische umweltbezogene Bewertung von KI-Systemen vorsieht.
Benefits von KI für Klimaschutz umstritten
Für eine umfassende Klimabilanz der Künstlichen Intelligenz müsse man aber auch deren Beiträge zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel berücksichtigen, greift die „Tagesschau“ Einwände von Wissenschaftlern auf. So könne Maschinelles Lernen Strategien zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel unterstützen, zum Beispiel im Energiesektor, in der Güterproduktion, in der Land- und Forstwirtschaft oder im Katastrophenschutz, schreibt etwa die Referentin für Digitale Ordnungspolitik der Heinrich-Böll-Stiftung, Vérane Meyer, im Vorwort des Reports „Smarte Technologie gegen den Klimawandel“. „Künstliche Intelligenz kann helfen, die Ernährungssicherheit zu steigern und Ressourcen in der Landwirtschaft und der industriellen Produktion effizienter zu nutzen, aber auch wissenschaftliche Experimente und damit die Entwicklung sauberer Technologien zu beschleunigen“, argumentiert Meyer. Ob der Einsatz von Künstlicher Intelligenz Ressourcenverbrauch und Emissionen zu senken vermag, anstatt sie noch weiter in die Höhe zu treiben, wird nach Ansicht der Digitalexpertin der Böll-Stiftung „von klugen politischen Strategien, gesetzlichen Rahmenbedingungen und Anreizen abhängen“.
Wie unterschiedlich allerdings die Einschätzungen der Klima- und Umweltauswirkungen eines zunehmenden Einsatzes von Künstlicher Intelligenz auch unter Fachleuten ausfallen, wird exemplarisch an der Bitkom-Studie „Klimaeffekte der Digitalisierung 2.0“ deutlich. Die kommt zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass digitale Technologien – und somit auch KI – wesentlich dazu beitragen können, dass Deutschland seine Klimaziele im Stichjahr 2030 erfüllt. Das Umweltbundesamt (UBA) dagegen bemängelt in einer Stellungnahme zu der Studie des Digitalverbandes auch, dessen 2.0-Version stelle „keine valide Grundlage für eine Abschätzung des Klimabeitrags der Digitalisierung“ dar. Die Behörde kritisiert, dass das technisch mögliche Einsparpotenzial für die digitalen Anwendungen oft unplausibel hoch angesetzt werde, während demgegenüber die Berechnung zum CO2-Fußabdruck der digitalen Infrastrukturen ausgesprochen niedrig ausfalle. Grundsätzlich stellt das UBA fest, dass für die Bewertung der Umweltauswirkungen der Digitalisierung keine gesicherte Datenbasis existiere.
Und selbst wenn irgendwann eine solche Möglichkeit der Validierung geschaffen ist, dürfte KI-Experte Prof. Dr. Barenkamp mit seiner Forderung, KI-Systeme – wie die Digitalisierung insgesamt – an einem ‚Return on Environment‘ auszurichten, weiter richtigliegen.
- https://www.oeko.de/news/pressemeldungen/ki-auf-kosten-des-klimaschutzes-energiebedarf-von-rechenzentren-verdoppelt-sich-bis-2030/
- https://www.tagesschau.de/wirtschaft/energie/kuenstliche-intelligenz-energieverbrauch-100.html
- https://www.bitkom.org/Bitkom/Publikationen/Studie-Klimaeffekte-der-Digitalisierung
- https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/uba_stellungnahme_zur_bitkom-studie_klimaeffekte_der_digitalisierung_2.0_0.pdf (PDF)
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